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Mittwoch, 18. Juni 2008

GR 11: 7 Wochen zu Fuß durch die spanischen Pyrenäen, vom Mittelmeer zum Atlantik, 800 km, 40.000 Hm.

TEIL II - durch die Zentralpyrenäen: von Espot bis Sallent de Gallego 
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Tag 26: Espot >  >  > Ref. Amitges, 18.06.2008 - 1.060 hm auf - 5 h - 12 km -

GR 11: Tag 26
Der Morgen beginnt ziemlich kalt. Ich will daher im Schlafsack bleiben, bis die Sonne auf das Zelt scheint. Leider liegt mein Platz so ungünstig, dass das noch Stunden dauern kann, so dass ich dann trotz Kälte rauskrieche und in der Bar des Campinplatzes frühstücke. 3 Milchkaffe, Madelaines und Salamibrote aus meinen Vorräten machen mich fit für den Tag.

Nach dem Frühstück lege ich meine gesamte Ausrüstung und das Zelt auf einen sonnigen Abschnitt des Campingplatzes und lasse die von der Nacht feuchten Sachen in der Sonne trocknen. Erst als alles trocken ist packe ich den Rucksack. Mit den Vorräten für vier Tage und den Schneeschuhen oben drauf ist der Rucksack so schwer wie noch nie.

Spät, gegen 11:30, laufe ich dann endlich los. Aber das Wetter ist ja Klasse und mir steht kein langer Tag bevor. Zunächst laufe ich den markierten Pfad des GR 11, bis dieser an einer Kanalbaustelle mitten in einer Wiese ohne erkennbare Spur oder Markierung endet.

Da ich mit dem schweren Rucksack keine große Lust auf "Pfadfinderei" habe, laufe ich zur 50 m weiter oben verlaufenden kleinen Strasse und folge dieser. Es ist mittlerweile ziemlich warm, aber die Strasse liegt meist im Schatten, so dass ich mit meiner Wahl zufrieden bin. Ab und zu kommen Fahrzeuge aus Espot hochgefahren, alles Jeeps der Nationalparksverwaltung, die Wanderer nach oben fahren.

Schon ein komisches Verständnis von Naturschutz, die Leute im Jeep in den Nationalpark zu karren. Die Insassen der Jeeps sind Jugendliche (vermutlich eine Schulklasse), die mir später von oben entgegenkommen. Die haben sich zum Estany de Sant Maurici hochfahren lassen um dann das Tal wieder hinunter zu laufen.

Aber je länger ich laufe umso weniger Leute sind da, und der wunderschönen Landschaft tut das sowieso keinen Abbruch. 

GR 11: am Estany de Sant Maurici
 Die Umgebung des Estany de Sant Maurici und der See selbst sind traumhaft. Glasklares Wasser, imponierende Gipfel und eine traumhafte, ursprüngliche Landschaft.

Am Estany de Maurici muss ich einfach eine Weile bleiben und über das Wasser auf die Landschaft und die Gipfel ringsherum blicken. Nach dieser "Viewing-Pause" geht es weiter Richtung Ref. d'Amitges, zunächst vorbei an den Wasserfällen "Cascada de Ratera". Ich bin beeindruckt von der Masse an Wasser, die hier donnernd Richtung Tal stürzt. Der Weg führt hier ziemlich steil nach oben und in der Folge dann vorbei an einigen kleineren Seen und Bachläufen, die zum Verweilen und Fotografieren einladen. Landschaftlich ist das bislang der Höhepunkt des GR 11.

Das letzte Stück zum Ref. d' Amitges läuft der GR 11 auf einer Schotter piste, die sich zuletzt in kleinen Serpentinen nach oben zum Refugio windet.

Das Refugio d'Amitges erweist sich als super ausgestattete und geführte Hütte in Traumlage.

Der Wirt organisiert per Funk die Absage meiner Übernachtung im Ref. Mallafré und meldet mich auch gleich für die nächste Übernachtung im Ref. Colomres an.





Trotz des späten Starts in diese Etappe habe ich noch viel Zeit und kann den "Sonnenbalkon" der Hütte und das tolle Panorama genießen.

Beim Anblick der Gipfel ringsherum mache ich mir erste Gedanken darüber, in dieser Region mal für 1 oder 2 Wochen Gipfeltouren zu machen. Da sind bestimmt viele traumhafte Hochtouren möglich. Ob ich meine "Bergtruppe" (unsere Gruppe macht jedes Jahr mindestens eine 1-wöchige Tour, meist Klettersteige) mal für so eine Aktion gewinnen kann?


GR 11: im Ref. Amitges
Beim Abendessen sitze ich mit 2 Franzosen am Tisch, die eine mehrtägige Rundtour in der Region des Nationalparks "Aigüestortes i Estany de Sant Maurici" machen. Die beiden haben schon mal die HRP gemacht (die ich 2 Jahre später versuchen werde) und erzählen mir, wie sie das angegangen sind. Sie haben vor Beginn der Tour ausgearbeitet, an welchen Stellen sie Proviant aufnehmen müssen und haben dort Lebensmittel vergraben. Das hat ihnen ermöglicht, die Tour ohne unnötige Zwischenabstiege und dadurch sehr zügig durchzuführen. Kann man so machen, denke ich mir, aber mir gefallen auch die Aufenthalte in den kleinen Ortschaften der Pyrenäen.


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Tag 27: Ref. Amitges - Ref. Colomers, 19.06.2008 - 200 hm auf - 4 h - 9 km -

GR 11-Tag 27: Ref. Amitges-Ref. de Colomers

GR 11: Rückblick auf Ref. d'Amitges
Im Schlafsaal der Hütte ging es Nachts ziemlich unruhig zu, irgendwo hat jemand jämmerlich geschnarcht. Morgens glaube ich die "Übeltäterin" lokalisert zu haben, eine Frau zwei Betten weiter. Ich lasse es ruhig angehen und als ich in den Essensraum der Hütte komme sind alle schon weg. Ich bin der letzte der frühstückt und startet. 

Als ich starte und mein Blick vor dem Schultern des Rucksacks über die auf dem Top befestigten Schneeschuhe fallen frage ich mich, ob ich die überhaupt brauchen werde. Wie zur Antwort liegt gleich hinter dem Ref. d'Amitges Schnee auf dem GR 11. Ich teste also gleich mal die Schneeschuhe und stelle als erstes fest, dass ein Befestigungsriemen fehlt. Daran, das zu kontrollieren, habe ich beim Ausleihen nicht gedacht. Ich habe aber einen Ersatzriemen im Gepäck und kann daher ohne große Verzögerung mit Schneeschuhen weiterlaufen.




So recht glücklich werde ich aber zunächst nicht mit den Schneeschuhen. Die Pfadspur im Schnee ist geforen und so eng, dass ich mit den Schneeschuhen darin nicht laufen kann. Neben der Spur ist das Gelände aber zunächst abschüssig und daher mit den Schneeschuhen anstrengend zu laufen. Ich schnalle daher ab und hoffe, dass ich die Dinger nicht ganz umsonst mitschleife.


Der Aufstieg zur Port de Ratera ist kurzweilig, weil landschaftlich wunderschön. In meinen Tournotizen habe ich abends vermerkt: "Atemberaubend schön".

Es sind nur ca. 200 hm vom Ref. d'Amitges bis zur Port de Ratera zu bewältigen. Immer wieder genieße ich den Blick zurück oder nach vorne und mache Fotos. Die Schneeschuhe bewähren sich dann endlich, je weiter es Richtung Port de Ratera geht und je tiefer der Schnee wird.

Da ich nicht gerade der leichteste bin und einen schweren Rucksack trage verhindern die Schneeschuhe das Einsinken in den Schnee. Ich komme einfach kraftschonender voran. Kurz vor der Port de Ratera kann ich an einem Wegweiser erkennen, wie hoch in etwa der Schnee hier noch liegt. Ich schätze mal es sind je nach Lage noch ca. 1 - 1,5 m. Dann bin ich endlich an der Port de Ratera und habe diesen wundervollen Ausblick.


Auf dem Bild bietet sich ein Blick auf einen Teil des sog. "Circ de Colomers" und es ist der Weiterweg auf der linken Uferseite des Estany Obago zu erkennen.

Nach dem ausgiebigen Genuß dieses Ausblicks steige ich ab und die Schneeschuhe machen sich hier sehr nützlich. Statt auf der eigentlichen Abstiegsroute zu bleiben, die ständig zwischen Schnee und schneefreien Stellen wechselt, bleibe ich auf dem Schnee und steige darauf so weit wie möglich ab. Am Estany Obago angekommen mache ich eine Rast, koche mir Spaghetti und mache anschließend ein Nickerchen.

GR 11: Pause in einer Traumlandschaft im Circ de Colomers

Das Wasser des Estany Obago ist kristallklar und trotz dieser Traumlandschaft ist mir heute erst eine Person, oben an der Port de Ratera, begegnet. Auf dem Weiterweg Richtung Ref. de Colomers passiere ich den Estany Long und sehe dann die Staumauer mit dem Ref. Colomers daneben. Als ich näherkomme bemerke ich allerdings, dass das Ref. geschlossen ist. 300 m weiter steht nun ein Neubau, den ich schnell erreiche. Das neue Ref. Colomers ist noch nicht ganz fertig, an einigen Stellen wird noch gearbeitet, liegt aber traumhaft über dem See. Leider ist der Gastraum recht lieblos "eingerichtet" und mich erinnert das irgendwie an einen Bahnhofs-Warteraum. Gestern hatte mir einer der beiden Franzosen, mit denen ich im Ref. d'Amitges am Tisch saß, gesagt, das Ref. Colomers sei nicht so toll, ich werde schon sehen. Jetzt verstehe ich was er gemeint hat. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt der einzige Gast bin, darf ich nicht auf das Zimmer und muss warten bis 17:00, weil das hier so organisiert ist. Ich warte und als ich dann mein Quartier beziehe geht plötzlich die Tür auf und herein kommt: die Schnarcherin von gestern. Mist! Obwohl es insg. nur 8 Übernachtungsgäste auf der Hütte sind werden alle in ein Zimmer gesteckt, statt auf verschiedene verteilt. Als dann die gute Frau nach dem Schlafengehen das Schnarchen anfängt, packe ich kurz entschlossen meine Sachen und lege mich auf meiner Iso im Essensraum schlafen und das - im Gegensatz zum Zimmer - bei geöffnetem Fenster und frischer Luft, da es zum Abendessen Linsen gegeben hatte...

Gr 11: Ref. Colomers


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Tag 28: Ref. Colomers - Hosp. de Vielha, 20.06.2008 - 1.100 hm auf - 8 h - 16 km -

GR 11-Tag 28: Ref. Colomers - Hosp. de Vielha
Beim Frühstück erfahre ich, dass Deutschland bei der Fußball-EM gegen Portugal gewonnen hat und nun im Halbfinale steht. Der Tag fängt mit guten Neuigkeiten an und draussen ist wieder strahlend blauer Himmel. Gegen 08:30 starte ich Richtung Portes de Caldes (2.570m), wähle also die Variante GR11.18. Beim Blick in die Landkarte und beim Lesen der Beschreibung im Guide erschien mir das die attraktivere Strecke, als die GR11 Originalroute und ich habe die Entscheidung nicht bereut.

Der Aufstieg zur Port de Caldes wird zunächst begleitet vom munteren Plätschern eines Baches. Im oberen Bereich wird es dann immer mehr Schnee und die Schneeschuhe leisten mir wieder gute Dienste. Es ist zwar nicht wirklich erforderlich mit Schneeschuhen zu laufen, macht die Sache aber an einigen Stellen einfacher. Der Weg ist gut ausgeschildert und es gibt keine Orientierungsprobleme.



Nach der Port de Caldes folgt ein steiler Aufstieg zur Port de Güellacrestada (ca. 2.600 m) und danach ein 600 hm Abstieg zum Ref. de la Restanca. Die Landschaft zeigt sich durch die Schneefelder und den Sonnenschein von ihrer besten Seite.

 


GR 11: Rückblick auf Ref. Restanca

Das Ref. de la Restanca liegt an einem kleinen Stausee und ist neu. Dort, wo das alte Ref. de la Restanca früher stand, sind heute nur noch die Grundmauern zu sehen. Im Bild "Rückblick auf Ref. Restanca"  sind diese Grundmauern am unteren Bildrand noch zu erkennen. Ich mache eine kleine Pause im Refugio, bin allerdings der einzige Gast im Refugio. Auf dem GR 11 habe ich auch heute bisher niemand gesehen.






GR 11: Lac de Rius
Nach dem Ref. de la Restanca geht es wieder aufwärts, Richtung Port de Rius. Der Pfad schlängelt sich meist auf der linken Talseite nach oben und gefällt mir gut. Vor der Port de Rius schnalle ich wieder meine Schneeschuhe an. Es geht vorbei am noch zugefrorenen Lac de Rius bis zur Port de Rius, wo der Abstieg Richtung Hosp. de Vielha beginnt, den ich zügig hinter mich bringe.


GR 11: an der Port de Rius
GR 11: Hosp.de Vielha
Am Hosp. de Vielha angekommen organisiert mir die Wirtin ein Taxi. Ich möchte nun nach Vielha fahren und dort Steigeisen, Pickel und Gamschen kaufen. Das Taxi kommt schnell und die Fahrt durch den Tunnel nach Vielha kostet 20 €. Es ist ein seltsames Gefühl, nach nunmehr 4 Wochen zu Fuß mal wieder in einem Fahrzeug zu sitzen und sich mit dieser Geschwindigkeit zu bewegen. Mit dem Fahrer vereinbare ich gleich, dass er mich morgen auch wieder abholt und zurück auf die andere Seite des Tunnels auf den GR 11 bringt.


GR 11: mein Hotel in Vielha
In Vielha gibt es einige gut sortierte Sportgeschäfte, so wie ich es aufgrund der Informationen in der Landkarte erhofft hatte. Der Taxifahrer setzt mich direkt vor einem dieser ab und nach nur 30 Minuten verlasse ich das Geschäft mit einem neuen Pickel, ultraleichten Steigeisen (Camp XLC 490) und neuen Gamaschen. Ich will für die nächsten Etappen gerüstet sein. Ich übernachte in Vielha.
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Tag 29: (Hosp. de) Vielha - Ref. d'Anglos, 21.06.2008 - 750 hm auf - 4 h - 9 km -

GR 11: Tag 29 - Hosp. de Vielha - Ref. d'Anglos

Nach dem Frühstück lasse ich mich mit dem Taxi von Vielha, durch den Tunnel von Vielha, nach Senet fahren. Dort gebe ich zunächst meine Schneeschuhe im Büro des Nationalparks ab. Der Taxifahrer wartet so lange und nimmt mich wieder mit zurück, so daß ich dann den GR 11 vom Hosp. de Vielha Richtung Ref. d'Anglos forsetzen kann. Die Tour zum Ref. d'Anglos ist mit nur 4 Stunden angegeben, das Wetter ist super und ich habe keine Eile.

Der Aufstieg Richtung Ref. d'Anglos verläuft dann zunächst im Schatten, was angesichts der inzwischen aufkommenden Hitze und meines, durch Pickel, Steigeisen und Gamschen deutlich schwereren, Rucksacks angenehm ist. Außerdem habe ich 7 Liter Wasser dabei, nicht ahnend, dass das überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Der Weg zum Ref. d'Anglos zweigt irgendwann vom im Tal verlaufenden Weg ab und ist dann ein kleiner, manchmal sogar recht steiler Pfad. Als ich plötzlich Geräusche vor mir höre und nach vorne schaue traue ich meinen Augen kaum, da kommen mir bewaffnete Soldaten entgegen. Schätze mal das ist so eine Art Gebirgsjägertruppe und ich lasse die Jungs, die teilweise recht fertig aussehen, passieren, indem ich mich neben den Pfad stelle.

GR 11: Blick auf See und Ref. d'Anglos
GR 11: "Basecamp" am Ref. d'Anglos
Weiter oben öffnet sich dann irgendwann der Blick und in der Ferne ist auf dem hinter einem See liegenden Kamm schon das kleine Ref. d'Anglos zu sehen. Ich behalte das Ref. im Auge und kann keine Menschen erkennen, die in der Nähe des Refugios wären. Schade, ein wenig Gesellschaft hier draussen hätte mir heute schon gefallen. Erst als ich die letzte Biegung vor dem Refugio genommen habe, sehe ich, daß hier doch Betrieb ist. In der Hütte sind Leute und um die Hütte herum stehen überall kleine Zelte. Mich erinnert die Szenerie wegen der bunten Tupfer in der Landschaft irgendwie an das Everrest-Basecamp in Nepal, das ich vor vielen Jahren bei einer 3-wöchigen Trekking-Tour mal gesehen habe. Natürlich war dort deutlich mehr Schnee und Eis.

GR 11: zelten am Ref. d'Anglos
Ich schlage mein Zelt direkt neben dem kleinen Bach auf, lege meine Sachen zum Lüften und Trocknen in's Gras, nehme ein sehr "erfrischendes" Bad in dem Schmelzwasser und lege mich dann vor meinem Zelt in die Sonne.


Hier oben gibt es zur Zeit der Schneeschmelze so viel Wasser, dass man getrost auf das Schleppen von Wasservorräten verzichten kann. Die 7 Liter Leitungswasser hätte ich also nicht hier hochschleifen müssen. Aber was soll's.

Die anderen Leute hier gehören überwiegend zu einer Gruppe, die hier eine Wochenendtour macht, es ist Samstag.

Der Tag endet mit schönen Ausblicken rund um den Platz und aus meinem Zelt.

Morgen geht es über den Coll de Vallibierna nach Puente de San Jaime. Es wird eine Traumtour werden!


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Tag 30: Ref. d'Anglos - Puente de S. Jaime, 22.06.2008 - 900 hm auf - 7 h - 19 km -


Der Tag beginnt, es ist noch sehr kalt hier oben. Aber als dann die Sonne auf mein Zelt scheint geht es ganz schnell. Es wird so warm dass ich raus muss, es ist zu heiß im Zelt. Zum Frühstück gibt es 1 Liter Pfefferminztee und ein Stück trockenes Baguette. Die eigentlich eingeplante Salami musste ich gestern während des Aufstiegs wegwerfen, da sie angeschimmelt war. Um 08:00 bin ich abmarschbereit.

GR 11: Weg und Blick zum Col de Riu Bueno
Es ist wieder ein Traumtag und als erstes geht es hoch zum Col de Riu Bueno. Der Weg führt unterhalb des Col an drei kleinen Seen vorbei, die alle noch faßt komplett zugefroren sind. Ich habe meine neuen Steigeisen angezogen und das bewährt sich, da der Weg faßt ausschließlich mit Schnee und Eis bzw. vereisten Stellen bedeckt ist.

Ich bin flott oben auf dem Col de Riu Bueno und habe von hier aus einen sehr schönen Blick auf den weiteren Wegverlauf. Direkt unterhalb liegt der Lago Cap de Llauset, an dessen linker Seite auch die Spur des GR 11 im Schnee zu erkennen ist. Hinter dem See ist die vom Schnee bedeckte Aufstiegsroute zu sehen und an deren Ende der Übergang am 2.750 m hohen Col de Vallibierna.

GR 11: Blick vom Col de Riu Bueno auf Lago Cap de Llauset und zum Col de Vallibierna
GR 11: zum Col de Vallibierna
Nachdem ich den Lago Cap de Llauset passiert habe muss ich noch einen Bach queren. Ich nehme an es ist der Abfluß des Sees. Ich traue der über dem Bach liegenden Schneedecke jedoch nicht ganz und suche eine ganze Weile einen sicheren Übergang, finde diesen dann auch ein Stück unterhalb der Originalroute. Dort ist die Schneedecke schon etwas aufgebrochen und ich kann einigermaßen sicher auf felsigem Untergrund queren. Danach beginnt der Aufsteig zum Col de Vallibierna. Plötzlich sind 4 Leute vor mir, woher die gekommen sind habe ich gar nicht mitbekommen. Der Aufstieg ist anstrendend und viel steiler als dies das Bild "zum Col de Vallibierna" zeigt. Meine Steigesien leisten mir auch hier gute Dienste, ich kann meine Tritte sicher und ohne zu rutschen setzen. Oben angekommen raste ich und es gesellen sich zwei weitere Trekker dazu. Einer ist Franzose, heißt Frank und ich werde ihm auf dem GR11 immer wieder begegnen, am Ende sogar mit ihm zusammen laufen. Der andere ist Deutscher und kommt aus Frankfurt. Wir machen Pause, essen und trinken gemeinsam. Jeder steuert etwas aus seinem Rucksack bei. Ich liefere Wasser (davon hat Frank zu wenig), Frank hat Käse dabei (ich habe nur noch Brot) und der Frankfurter steuert Schockolade zum Nachtisch bei. Danach verabschieden wir uns und jeder zieht für heute dann wieder alleine weiter.

GR 11: Eintöniger "Abstieg" nach Puente de S. Jaime
Der Abstieg nach Puente de S. Jaime wird im unteren Teil langwierig und es ist sehr heiß. Es geht lange über eine ziemlich eintönige Forststrasse hinunter und ich bin froh als ich endlich den Campingplatz erreiche. Ich schlage mein Zelt auf und höre plötzlich eine bekannte Stimme sagen: "Hallo, ich hatte gehofft dich hier zu treffen". Vor mir steht Eike. Er hat eine Rundtour gemacht und will auch hier übernachten. Es wird ein netter Abend, aber ich fühle mich müde. Seit 2 - 3 Tage ist das manchmal so. Ich habe dann das Gefühl dass der Akku leer ist und ich muß mich mehr anstrengen als bisher.
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Tag 31: Puente de S. Jaime - Ref. Viados, 23.06.2008 - 1.400 hm auf - 8 h - 20 km -

GR 11 Etappe 31: Puente de S. Jaime - Ref. Viados
GR 11: Camping bei Puente de S. Jaime
Der Aufbruch verzögert sich heute sehr lange. Eike und ich haben uns entschieden in der Bar des Campingplatzes zu frühstücken. Leider öffnet diese nicht zur üblichen Zeit. Erst gegen 09:15 kommt ein ziemlich verschlafener Typ daher und beginnt so langsam damit den Betrieb aufzunehmen. Aber egal, wir kriegen irgendwann unseren Kaffee. Danach verabschieden wir uns herzlich, denn für Eike ist die Tour hier zu Ende und auf mich warten weitere tolle Etappen in den Zentralpyrenäen.

Ich beginne dann um 11:30 mit der Tagesetappe und dem anstrendenden Aufstieg zum Refugio d'Estos. Gleich nach dem Campingplatz überschreite ich die "Puente de San Jaime", eine schöne, alte Steinbrücke. Es ist wieder ein toller Sommertag und es entsteht schon ziemlich bald eine brütende Hitze. Der Weg bis zum Refugio d'Estos wird so eine schweißtreibende Angelegenheit. Der Weg verläuft oft entlang des Rio d'Estos, der sehr viel Wasser führt.

GR 11:Ausblick im Tal des Rio Estos


GR 11: Blick auf dem Rio d'Estos beim Ref. d'Estos

 Beim Aufstieg zum Refugio d'Estos fällt mir das Laufen immer schwerer. Obwohl ich mittlerweile eine sehr gute Kondition habe, habe ich immer öfter das Gefühl einer großen Anstrengung. Als ich am Refugio d'Estos ankomme "verordne" ich mir eine Pause. Ich trinke Wasser, zwei Cola und esse zwei große Salamibrote. Danach geht es wieder besser und dieses Gefühl des Ausgepumtseins ist weg. Bisher habe ich tagsüber meist nur 2-3 Müsliriegel und evtl. ein kleines Stück Brot mit Salami zu mir genommen. Mein Gürtel zeigt mir auch deutlich an, daß ich einiges abgenommen haben muss. Aber dieses tagsüber "auf Reserve laufen" geht jetzt nicht mehr. Ich beschließe ab jetzt tagsüber mehr zu essen. Das hat dann - bis auf den nächsten Tag - auch den erwünschten Effekt gebracht.

GR 11: Val d'Estos mit Blick Richtung Puerto de Gistain
GR11: Anstieg zur Puerto des Gistain
Nach dem Refugio d'Estos verläuft der Pfad in recht direkter Linie auf die Puerto de Gistain zu. Es sind vom Refugio bis zur Puerto de Gistain ca. 700 hm zu überwinden. Es dauert nicht lange und ich laufe im Schnee. Während des Aufstiegs sehe ich einige größere Raubvögel und Gemsen. Kurz vor der Puerto de Gistain - es ist ca. 14:30 - kommt Gewitterstimmung auf. Der Himmel zieht zu und ich beobachte das ganze aufmerksam. Entweder ich komme hier noch ohne Gewitter rüber oder ich drehe um. Nach 15 min beginnt es sogar leicht zutröpfeln, die Lage beruhigt sich aber dann wieder und ich erreiche die Puerto de Gistain.

GR 11: Puerto de Gistain, Blick Richtung Valle de Anescruzes
Seit dem Refugio bin ich hier oben noch niemandem begegnet. Nach einer kleinen Pause beginne ich mit dem Abstieg Richtung Refugio de Viados, meinem heutigen Ziel. Bis auf drei Bachquerungen ist der Abstieg unspektakulär. Da ich aber zu bequem war die Schuhe bei jeder Bachquerung auszuziehen laufe ich nun mit patschnassen Schuhen. Am Refugio de Viados angekommen, erhalte ich gleich einen Schlafplatz zugeteilt. Der Wirt ist sehr freundlich, es gibt Duschen und das Abendessen schmeckt wunderbar.
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Tag 32: Ref. Viados - Parzan - Bielsa, 24.06.2008 - 900 hm auf - 7 h - 20 km -


GR 11-Tag 32: Ref. Viados - Bielsa

Gestern habe ich mir vorgenommen ab nun wieder konsequenter früh zu starten, um eventuell aufkommenden Gewittern aus dem Weg zu gehen, bzw. bereits am Ziel oder zumindest in der Nähe des Ziels zu sein, wenn ein Gewitter aufkommen sollte. Ich sitze um 07:00 beim Frühstück und um 08:00 laufe ich bereits. Die Landschaft hier ist grün und lieblich. Bis zum 2.350 m hohen Passo d'es Caballos habe ich 900 Höhenmeter zu machen. Eigentlich nicht sehr viel, aber es fällt mir erneut sehr schwer. Ich beschließe im Laufe des Tages in Bielsa einen Ruhetag einzulegen. Bielsa ist etwas größer als Parzan und ich vermute dort lässt sich ein Ruhetag besser durchziehen.

Auf dem Weg Richtung Pass komme ich an einer Kuhherde vorbei und sehe plötzlich, dass dort ein riesiger Bulle dabeisteht. Der flößt mir richtig Respekt ein und während ich immer wieder Ausschau nach Bäumen und anderen Dingen hatle die Deckung geben könnten, beobachte ich aus dem Augenwinkel, ob sich das Tier bewegt. Aber er bleibt ruhig und dreht nur langsam den Kopf, so dass er seinerseits mich immer im Blick hat.


GR 11: kleines Wasserkraftwerk am Barranco de Urdizeto
Der Abstieg Richtung Parzan durch das Tal des Barranco de Urdizeto ist unspektakulär und verläuft auf einer kleinen Schotterpiste. Bei Parzan angekommen laufe ich, nach einer kurzen Cafe-Pause in einer ganz netten Bar bei der Tankstelle, einfach die Strasse nach Bielsa weiter. Ein Wanderweg ist in der Karte nicht eingezeichnet und ich sehe auch keinen. In Bielsa angekommen sind meine Fußsohlen heiß von der Lauferei auf Aspahlt. Ich finde gleich am Ortseingang ein günstiges Zimmer für 2 Nächte (Habitatciones y Cafeteria "Los Valles", 28 € pro Nacht).

GR 11: in Bielsa
Während des Ruhetages merke ich dass ich mich erhole. Ich schaue mir Bielsa an, auch die Kirche. Als ich sie betrete ist alles recht dunkel, keine Beleuchtung ist an. Dafür gib es einen kleinen Kasten in den man 1 € für Licht einwerfen kann. Ich mache das, das Licht geht an und ich setze mich in eine Bank um mich in Ruhe umschauen zu können. Als ich dann so dasitze beginnt das, was man neben Licht auch noch für diesen 1 € bekommt: ziemlich laute Kirchen-Orgelmusik aus der Konserve. Das ganze ist mir ein wenig peinlich, weil zwei ältere Damen in den Bänken vor mir knien und beten. Für meinen Geschmack ist die viel zu laute Musik sehr störend und irgendwie fühle ich mich verantwortlich für den Lärm.

Der Wetterbericht sagt für die nächsten Tage immer wieder starke Gewitter vorher. Ausgerechnet auf der nächsten bzw. übernächsten Etappe steht ein langer und teils auch exponierter Anstieg bevor. Beim Studium der Karte sehe ich eine Möglichkeit diesen langen Anstieg durch eine alternative Route zu vermeiden. Ich beschließe das zu versuchen, auch wenn ich keine Informationen über Wege, Ortschaften und Übernachtungsmöglichkeiten habe.

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Tag 34: Bielsa - Ref. Lamiana, 26.06.2008 - 1.000 hm auf - 5 h - 10 km -

GR 11-Tag 34: Bielsa - Ref. Lamiana
Meine ausgearbeitete Umgehungsroute läuft zunächst auf dem GR 19.1 Richtung Tella. Das Ziel ist ein Ort namens Lamiana, bei welchem in meiner Landkarte ein Campingplatz und ein Refugio eingezeichnet sind. Ob das der Realität entspricht wird sich zeigen müssen.

Es gibt keine Probleme den Weg zu finden und während des Aufstiegs zum Paß am Mallo Gran (2.475 m) begegne ich nur einem alten Mann mit Hund.

Aufstieg zum Paß am Mallo Gran
Nach dem Paß wechselt das Landschaftsbild. Zwischen Gras und Latschengewächsen schauen immer wieder große, teils mit Furchen durchsetzte, Felsplatten heraus. Ich fühle mich an die unteren Regionen des Dachsteinmassivs erinnert. Am Ende des Abstiegs vom Paß Richtung Tella treffe ich auf die in der Karte eingezeichnete kleine Strasse und folge dieser Richtung Lamiana. Dort angekommen finde ich zwar keinen Campingplatz, aber das "Hotel de montana Lamiana" hat offen. Ein Zimmer ist auch frei und so quartiere ich mich ein. Die Zimmer liegen nicht im Haupthaus, sondern in einem Nebengebäude des Ref. Lamiana. Die Wirtin gibt mir noch zu verstehen, dass sie jetzt mal weg müsse und verschwindet dann zusammen mit Enkelin und Vater im Auto.

Ich sitze danach allein mit den drei Hunden des Hauses vor dem Hotel de montana Lamiana, genieße die Sonne und die Ruhe, lege mich dann allerdings in meinem Zimmer ein wenig hin und schlafe. Als ich gegen19:30 wieder zum Refugio schaue, ist noch immer niemand da. Ich habe inzwischen einen ordentlichen Hunger und wenn ich mir die Hunde so ansehe, hätten die sicher auch nichts dagegen einen vollen Fressnapf zu bekommen. In den Richtung Monte Perdido und Refugio Goritz liegenden Gipfeln brodelt es ganz ordentlich. Der Himmel verfinstert sich zusehends und es beginnt zu donnern. Ich bin ganz zufrieden mit meiner Situation und hoffe für den morgigen Tag, dass ich ohne Gewitter durchkomme.

Gegen 20:00 kommt die Wirtin wieder zurück und kurze Zeit später sitze ich im Refugio beim Abendessen. Ein paar Einheimische gesellen sich auch noch dazu und im Fernsehen läuft das Fußball-EM-Halbfinale Spanien - Russland. Die Spanier putzen die Russen 3:0 weg und stehen damit im Endspiel gegen Deutschland. Damit ist völlig klar, dass ich am Tag des Endspiels unbedingt eine Unterkunft mit Fernseher brauche oder wenigestens die Gelegenheit das Spiel irgendwo sehen zu können. Das Frühstück kann ich laut Wirtin morgen um 07:00 bekommen, so dass ich früh in den Tag starten kann, was ich wegen der starken Gewitterneigung auch unbedingt will.


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Tag 34: Ref. Lamiana - Ref. Goriz, 26.06.2008 - 1.500 hm auf - 9 h - 19 km -

GR 11-Tag 34: Ref. Lamiana - Ref. Goriz
Rückblick auf Lamiana
Ich stehe um 07:0 vor dem Refugio und kurz danach kommt auch schon der Wirt und stellt mir ein Frühstück hin. Mein Rucksack ist bereits fertig gepackt und so kann ich gleich nach dem Frühstück um ca. 07:45 starten. Meine Routenwahl erweist sich als gut, ich vermeide unnötige Steigungen und komme durch wunderschöne Gegenden. Teils geht es durch ganz mit Moos behangende Wälder, teils über duftende Wiesen, manchmal auch kurz auf Forststrassen.

Einmal muss ich einen Fluß queren und dazu auch die Schuhe ausziehen, weil das Wasser ziemlich tief ist. Zudem hat der Fluß eine starke Strömung und trotz des eisig kalten Wassers setze ich meine Schritte langsam und vorsichtig, um nicht auszurutschen und samt Gepäck im Wasser zu landen. In der Mitte ist das Wasser so tief, dass ich auf der anderen Seite mit nasser Hose ankomme. Aber es ist ein heißer Tag und die Hose wird bald wieder trocken sein.

Blick ins Valle de Tella nahe des Collado de Raton
Meine geplanten Zwischenzeiten halte ich ziemlich genau ein, so dass ich beruhigt davon ausgehen kann die Etappe bis zum Refugio Goritz ohne Zeitprobleme zu schaffen. Mein Weg führt mich nun zur Ortschaft Escuain, an deren Ortseingang ich die Richtung wechsle und zum Collado de Raton (1.684 m) aufsteige, der unterhalb der Formation des Castillo Mayor liegt. Hier habe ich einen schönen Blick in das Valle de Tella.

Rückblick: Castillo Mayor, links darunter Collado de Raton
GR 11: Ordesa Nationalpark
Vom Collado de Raton muss ich nun nur noch zu einer Schotterpiste absteigen und dieser einige Kilometer Richtung Nord-West folgen um dann endlich an der Grenze des Nationalparks zu stehen. Hier treffe ich für heute den ersten Menschen, einen Nationalpark-Ranger.




Nach dem Passieren der Nationalparks-grenze ändert sich die Landschaft. Zunächst sind noch üppige Weiden zu sehen, auf denen Pferdeherden grasen. Dann kommen immer mehr die Abhänge und der Canon ins Blickfeld. Ich komme von Süden her in den Nationalpark und stoße damit hier auf den Canon de Anisclo. Und optisch wird die gesamte Szenerie von einem Blick dominiert, dem Massiv des Monte Perdido.
GR 11: Blick auf Monte Perdido



GR 11: Fuen blanca
Mein Weg führt dann auf einem kleinen Pfad hinunter in den Canon de Anisclo und zur Brücke unterhalb des großen Wasserfalls Fuen blanca. Nun bin ich wieder auf der Originalroute des GR 11. Die Szenerie ist traumhaft und lädt zur Rast ein.

Danach steht der letzte Aufstieg für heute an, zum Collado de Goritz. Während des Aufstiegs passiere ich einige Schneefelder. Ausser meinen eigenen sehe ich keine anderen frischen Spuren.  Nachdem ich den Collado de Goritz passiert habe kommt langsam das Refugio Goritz ins Blickfeld, mein Etappenziel für heute. Bevor ich jedoch dort ankomme, hat der GR 11 noch ein echtes Highlight parat: den ersten Blick in das Valle de Ordessa.
GR 11: Blick in das Valle de Ordessa
GR 11: Ref. Goriz
Das Refugio Goritz ist ziemlich voll und ich frage erst gar nicht nach einer Schlafgelegenheit in der Hütte, sondern melde mich als Camper an. Oberhalb der Hütte stehen schon einige Zelte und ich stelle mein gelbes Salewa Zelt dazu.

Der Aufenthalt am und im Refugio ist angenehm, sieht man mal von den containerartigen Einrichtungen für WC und Dusche ab. Aber das bringt man eben einfach hinter sich und angesichts der grandiosen Umgebung ist das mehr als Nebensache.

Ich koche nicht selbst, sondern geselle mich zu den anderen Gästen in der Hütte an einen der großen Tische. Es gibt für alle dasselbe Essen und die Stimmung in der Hütte ist gut. Ein grandioser Tag geht zur Neige und ich schlafe ein mit der Vorfreude auf den Abstieg in das Valle de Ordesa und den Weg durch das Tal. 
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Tag 35: Ref. Goriz - Camping San Nicolas (Valle de Bujarelo), 27.06.2008 - 300 hm auf - 7 h - 21 km -

GR 11-Tag 35: Ref. Goriz - Camping San Nicolas
Heute geht es faßt nur bergab. Etappenziel ist der Campingplatz San Nicolas im Valle de Bujarelo. Bereits kurz nach dem Start habe ich, wie gestern kurz vor der Ankunft am Refugio Goriz, einen herrlichen Blick in das Valle de Ordesa.


GR 11: Nahe des Ref. Goriz - Blick in das Valle de Ordessa
Vom Refugio Goriz aus steige ich hinab in das Valle de Ordesa, passiere den Wasserfall "Cascade de Cola de Caballo"  und erreiche bald den Talboden. Ich habe mich für den "Talweg" entschieden, um die Wände des Valle de Ordesa auf mich wirken zu lassen. Alternativ wäre auch ein Pfad weiter oben möglich gewesen. Vom Talgrund aus wirken die Felswände noch beeindruckender als von oben betrachtet. Durch das Tal schlängelt sich der Rio Arzas und mit den grünen Wiesen drumherum wirkt die Landschaft lieblich. Weiter unten wird der Rio Arzas über einige Steilstufen und Wasserfälle fließen, beliebte Fotomotive.

Zunächst ist es noch ruhig und ich sehe nur vereinzelt Menschen, aber immerhin. Im Vergleich zu manch anderer Etappe des GR 11 ist das schon eine deutliche Steigerung. Je länger ich laufe umso mehr Menschen begegne ich. Irgendwann sind es so viele, dass ich mit dem Gruß "Holla" aufhöre. Es ist Samstag, das Wetter ist super und die meisten hier sind ihrer Kleidung und Ausrüstung nach zu schließen Tagesausflügler. Ich bemerke wie ich die von diesen Leuten ausgehende Wolke aus Parfüm und Rasierwasser ganz intensiv rieche. Meine Nase scheint für solche Düfte wieder viel empfänglicher zu sein. Vielleicht riechen die auch etwas von mir, aber das wird sicher kein Parfüm sein.


GR 11: Blick auf Torla
Auf dem weiteren Weg durch das Valle de Ordesa schaue ich mir den ein oder anderen Wasserfall an, merke aber, dass mir der Trubel und der von den vielen Menschen ausgehende Lärm zu viel werden. Am Parkplatz La Prada angekommen sehe ich, dass dieser voll ist mit PKW und Reisebussen. Kein Wunder also, dass so viele Menschen das Tal hinauflaufen. Gleich nach dem Parkplatz wird es wieder ruhiger. Ich begegne auf dem Stück bis zur Puente de los Navarros in der Nähe von Torla niemendem mehr. Der Rest des Weges vergeht wie im Flug und ich erreiche den Campingplatz San Nicolas im Vale de Bujarelo. Dort angekommen sehe ich, dass trotz Wochenende nur wenige Zelte aufgebaut sind.

GR 11: Camping Bujarelo
Der Platz macht einen angenehmen Eindruck und kostet 7,60 €. Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, entschließe ich mich im Restaurant des Campingplatzes essen. Für Wanderer hart: wie in südlichen Ländern häufig üblich wird auch hier spät gegessen, erst um 20:30. Um die Zeit bis dahin zu "überstehen" lege ich mich ins Zelt und döse ein wenig vor mich hin. Während des Abdenessens sehe ich dann plötzlich, wie jemand den Raum betritt, an der Bar kurz etwas frägt und dann sofort wieder nach draussen geht. Es ist Frank, den ich vor einigen Tagen am Col de Vallibierna kennengelernt hatte. Es geht so schnell dass ich gar nicht dazu komme auf mich aufmerksam zu machen. Wir werden in einigen Tage beide noch Gelegenheit haben diese Situation nochmal zu "beleuchten".
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Tag 36: Camping Bujarelo - Balneario de Panticosa, 28.06.2008 - x hm auf - x h - x km -

GR 11-Tag 35: Camp. S. Nicolas-Balneario Panticosa
Dieser Tag wird interessant enden, so viel schon mal vorab. Er beginnt mit Sonne, spanischem Frühstück am Campingplatz und ich marschiere um 09:00 los.






Entgegen den Wegbeschreibungen des Handbuchs laufe ich nicht auf dem Schotterweg, sondern gehe gleich nach dem Campingplatz über die alte Steinbrücke, Puente de Bujarelo, auf die rechte Seite des Rio Ara. Der Weg verläuft über Wiesen entlang des Flüsschens und stößt weiter oben wieder auf die Schotterpiste. In der Nähe der Nothütte Ref. de Ordiso wird die Baumgrenze überschritten und der Blick öffnet sich in das traumhaft schöne Valle del Ara. Der Pfad steigt langsam aber stetig weiter nach oben. Dominiert wird der Blick in das Valle del Ara vom 3.298 m hohen Vignemale.

GR 11: Valle del Ara mit Vignemale (3.298 m)

Nach einer kleinen Rast im Valle del Ara und dem ausgiebigen Geniessen des Panoramas ziehe ich weiter und begegne kurz vor der Stelle, an welcher der Rio Ara zu überschreiten, bzw. zu durchwaten ist, dem ersten und einzigen Menschen auf dieser Etappe.

Über den Rio Ara zu kommen wird dann eine Sache für sich. Ich ziehe die Schuhe aus und hänge sie mir zusammengebunden über die Schulter. Es sind eigentlich drei Flußarme, die ich letztlich durchschreite. Das Problem ist nur, dass ich den Weiterweg auf der anderen Seite nicht erkennen kann, also auch nicht weiss ob ich hier wirklich richtig bin.

"Drüben" angekommen finde ich nach einer Weile den Weiterweg, habe den Fluß also doch an der richtigen Stelle gequert. Von hieraus betrachtet wäre es einfacher gewesen den Rio Ara ein Stück weiter zu queren. Aber hinterher...


Nun geht es an den restlichen Anstieg zum Paß "Cuello Alto de Brazato" (2.250 m). Es liegt noch ziemlich viel Schnee hier, aber die Schneedecke ist fest, so dass ich nicht ständig einsinke und flott vorankomme. Ich mache mir Gedanken darüber, wie ich es heute abend anstelle das Fußballspiel zu sehen, das EM Endspiel Deutschland - Spanien. Laut Handbuch gibt es in Balneario de Panticosa ein Refugio, mehrere Hotels und ein altehrwürdiges Grand Hotel, in dem das Zimmer zwischen 45 und 80 € kosten soll. Angesichts des Ereignisses EM-Endspiel beginne ich mit dem Gedanken zu spielen im Grand Hotel zu übernachten. Aber noch bin ich erst am Cuello Alo de Brazato.

Die kleineren Seen rund um den Pass sind noch weitestgehend zugefroren, erst der weiter unten liegende und größere Stausee "Embalse del Brazato" ist beinahe komplett vom Eis befreit. Nach einem Abstieg von ca. 900 hm komme ich in Balneario de Panticosa an und erkundige mich im (top renovierten) Grand Hotel nach einem Zimmer. Als man mich mitleidig betrachtet hat und mir den Preis von 300 € genannt hat ziehe ich mich dezent zurück. Das war wohl nichts.

Die im Handbuch erwähnten weiteren Hotels finde ich nicht. Dafür steht mitten im Ort ein großer Hotelneubau, das Hotel Continental. Das kostet zwar 110 €, aber ich will unbedingt das Endspiel sehen und der Ort scheint mir ansonsten relativ "tot", sprich, keine Bars oder andere Gelegenheiten das Spiel zu sehen.


GR 11: Balneario de Panticosa

Ich nehme also ein Zimmer im schicken Hotel Continental und lande einen Volltreffer. Zunächst gönne ich mir im Restaurant des Hotels ein Menü. Es ist das Beste was ich auf der gesamten Tour aufgetischt bekommen habe.

Dann suche ich den Fernsehraum, den man mir an der Rezeption empfohlen hat und bin platt. Es ist eine Art Kinosaal mit Großleinwand und entsprechend guter Beschallung. Es hätte keinen besseren Ort für den heutigen Abend geben können. Das Spiel geht leider zugunsten von Spanien aus, bleibt der Trost, im Land des würdigen Europameisters Urlaub zu machen. Die Nacht verbringe ich ziemlich unruhig. Ich fühle mich in meinem feinen Hotelzimmer einfach nicht wohl.

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Tag 37: Balneario de Panticosa - Sallent de Gallego, 30.06.2008 - 1.300 hm auf - 9 h - 21 km -

GR 11-Tag 37: Bal. de Panticosa-Sallent de Gallego
In der Nacht habe ich nur 2-3 Stunden schlafen können. Um 05:30 klingelt mein Wecker, weil ich heute sehr früh los möchte. Es geht in eine der schönsten Etappen des gesamten GR 11, dabei über 2 Pässe auf 2.800 m hoch und die Wetterlage ist gewittrig.

Um 06:00 kommt mein Frühstückspaket, das mir statt eines Frühstücks zusammengestellt wurde. Auch hier im teueren Hotel gibt es Frühstück erst ab frühestens 07:00.

Ich esse ein paar Happen, nehme das was ich von dem Paket brauchen und tragen kann in den Rucksack und ziehe los.



Vor allem wegen dieser Etappe habe ich mir vor Tagen in Vielha den Pickel und die Steigeisen besorgt. Ich bin gespannt was der Tag bringt. Der Weg zieht sich zunächst durch eine kleine Schlucht nach oben.

Am Ende der Schlucht passiere ich den Stausee "Embalse de Bachimana". Schon von hier aus ist dann zu erkennen, dass der Aufstieg zum Collado del Inferno auf alle Fälle durch  Schnee führen wird.



Aufstiegsroute zum Coll del Infierno
Aufstiegsroute zum Coll. del Infierno
Beim Blick nach oben glaube ich einen kleinen Punkt im Schnee zu erkennen, der sich nach oben bewegt. Ich bin mir aber nicht ganz sicher und der Punkt ist auch gleich wieder verschwunden. Diese Situation wird sich in einigen Tagen klären.

Der Aufstieg ist wie beschrieben steil, aber nichts, was größere Schwierigkeiten machen würde. Als ich dann am Collado del Infierno angekommen bin, bietet sich mir ein traumhafter Rück-/Ausblick, in dessen Mitte der zuvor passierte Stausee "Embalse de Bachimana" zu erkennen ist.



GR 11: Blick vom Colladodel Infierno zurück zum Stausee "Embalse de Bachimana"

Blick und Weg vom Coll. del Infierno zum Coll. de Tebarray
Am Collado del Infierno bin ich zudem erleichtert über die relativ stabile Wetterlage. Ich muss nun "nur" noch zum noch etwas höher gelegenen Collado de Tebarray queren, den man von hier aus schon erkennen kann und dann steige ich schon wieder ab. Aber dort wartet ja noch die Stelle für die "bei entsprechenden Verhältnissen" Pickel und Steigeisen empfohlen sind. Ich quere also oberhalb des noch zugefrorenen Ibon de Tebarray zum Collado de Tebarray, steige noch ein Stück über Fels empor und bin oben am Paß. Geschafft! Ich mache eine kleine Rast und kann von hier aus auch die steile Abstiegsroute einsehen. Nicht dramatisch, aber je nach Situation nicht zu unterschätzen. Ich ziehe also meine Steigeisen an, nehme den Pickel in die Hand und starte den Abstieg.




Rutschpartie am Collado de Tebarray
Die Oberfläche ist jedoch alles andere als eisig. Der Schnee ist total griesig und nass. Ich sinke bei jedem Schritt tief ein und plötzlich passiert es. Alles unter mir gerät in Bewegung.

Da wo ich eben noch stand rutsch unter und neben mir der ganze Schnee nach unten. Pickel und Steigeisen nützen bei diesen Verhältnissen nichts, ich kann die "Abfahrt" weder stoppen noch bremsen. Nach einer Rutschpartie komme ich etwa 100 m weiter unten zum Halten und schüttle den Schnee ab. Im Rückblick erkenne ich dass neben der von mir gezogenen Bahn eine zweite, ebanfalls ganz frische Bahn zu erkennen ist. Also war da vorhin doch jemand im Aufstieg, als ich meinte einen kleinen Punkt erkannt zu haben. In ein paar Tagen werde ich wissen dass es Frank war, der hier kurz vor mir nach unten gerutscht ist.

Bei der Rutschpartie habe ich mir erstaunlicherweise kleinere "Verbrennungen" zugezogen. Am linken Arm sind sie deutlich zu erkennen. Ich beginne zügig mit dem Abstieg nach Sallent de Gallego, denn es liegen noch 1.500 hm Abstieg vor mir. Der erste Teil des Abstiegs läuft kontinuierlich im Schnee, erst in der Nähe des Embalse de Repomuso kommt wieder Grün zum Vorschein. Plötzlich merke ich dass mein Foto weg ist. Ich habe ihn verloren. Ich lege den Rucksack abseits des Wegs ab und laufe zurück. Ich sage mir da schon, dass - wenn die Fotos weg sind - es dann eben so hat sein sollen und all das was ich erlebt habe dann eben nur in meinen Erinnerungen ist. Aber: nach ca. 2 km finde ich den Foto neben dem Weg. Er ist mir aus dem Etui gerutscht. Erleichtert kehre ich mit Foto zum Rucksack zurück.

Embalse de Repomuso
Hostal Centro in Sallent de Gallego
Nach dem Stausee wird mir der Abstieg sehr lang-wierig und am Ende will ich nur noch ankommen. In Sallent de Gallego finde ich ein günstiges Zimmer im Hostal Centro, wie der Name vermuten lässt in der Ortsmitte gelegen. Das Zimmer ist schlicht und kostet 27 €. Ich spüre jetzt schon, dass ich hier gut schlafen werde. Ich habe eine lange Etappe hinter mir und die letzte Nacht kaum geschlafen.



GR 11: Sallent de Gallego - Blick" zurück"
Als ich dann frisch geduscht auf der Terasse einer kleinen Bar gegenüber des Hostals in der Sonne sitze und mein Blick zurück in die Richtung der zurückgelegten Etappe schweift merke ich, dass das heutige Etappenende für mich eine Zäsur darstellt.

Ich bin aus den Zetralpyrenäen raus, habe die schwierigsten Etappen hinter mir und bin trotz des frühen Starts Ende Mai so weit gekommen. Der Rest ist von den Anforderungen her nur noch Formsache.

Ich bin glücklich und zufrieden, sitze lange vor der kleinen Bar und rufe mir viele Einzelheiten der bisherigen Tour ins Gedächtnis. Als die die Sonne verschwindet gehe ich früh auf mein Zimmer und schlafe sofort ein.

Hier endet der Teil II des Berichts. Die Zentralpyrenäen sind geschafft und das große Ziel heißt nun: Cap Higuer. 

Teil I:   Cap de Creus - Espot
Teil II:  Espot - Sallent de Gallego - durch die Zentralpyrenäen
Teil III: Sallent de Gallego - Cap Higuer